Analogabrechnung bei Protonenstrahlentherapie - OLG Hamm erkennt doppelte GOÄ-Ziffer 5855 an
In einem bemerkenswerten Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die analoge Abrechnung einer Protonenstrahlentherapie mit doppeltem Ansatz der GOÄ-Ziffer 5855 sowie die Überschreitung des Regelsatzes für rechtmäßig erklärt (04.02.2025 Az. 26 U 116/24). Die Entscheidung ist rechtskräftig und unterstreicht die nach wie vor zentrale Rolle der Analogabrechnung innerhalb der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Hintergrund: Veralteter Leistungskatalog trifft auf moderne Medizin
Obwohl die GOÄ rund 2.400 Gebührenpositionen enthält, können längst nicht alle medizinischen Leistungen abgebildet werden – ein Umstand, der auf das Alter der GOÄ zurückzuführen ist. Die letzte umfassende Überarbeitung datiert auf das Jahr 1982. Um dieser Lücke zu begegnen, erlaubt § 6 Abs. 2 GOÄ die sogenannte Analogabrechnung: Nicht enthaltene Leistungen können entsprechend einer vergleichbaren Leistung hinsichtlich Art, Kosten- und Zeitaufwand berechnet werden.
Der Fall: Protonenstrahlentherapie bei CUP-Syndrom
Ein Universitätsklinikum behandelte eine Patientin mit einem sogenannten CUP-Syndrom (Cancer of Unknown Primary) im Bereich der Ohrspeicheldrüse mithilfe einer Protonenstrahlentherapie. Diese hochpräzise Form der Strahlentherapie, die mit geladenen Teilchen statt Röntgenstrahlen arbeitet, wurde sechsmal ambulant durchgeführt.
Die Abrechnung erfolgte analog zur GOÄ-Nr. 5855 (Intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen – IORT), wobei die Ziffer pro Sitzung doppelt angesetzt und zudem über den 1,8-fachen Regelsatz hinaus gesteigert wurde. Die Patientin akzeptierte zwar die Analogabrechnung dem Grunde nach, beanstandete jedoch den doppelten Ansatz sowie die über den Regelsatz hinausgehende Steigerung.
Gericht bestätigt doppelte Abrechnung und Steigerung
Das OLG Hamm wies die Klage der Patientin ab. Es sah den doppelten Ansatz der Nr. 5855 als gerechtfertigt an, da der tatsächliche Aufwand der Protonentherapie den der IORT in erheblichem Maße übersteige. Grundlage dieser Bewertung war ein medizinisches Sachverständigengutachten, das u. a. auf folgende Faktoren verwies:
- Deutlich längerer Zeitaufwand,
- erheblicher Personalbedarf (z. B. durchgehend anwesende Ingenieure),
- hohe Betriebskosten,
- Anschaffungskosten des Geräts (bis zu 20-fach höher als bei IORT).
Die Argumentation stützte sich zudem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Az. III ZR 344/03), demzufolge eine doppelte Abrechnung einer GOÄ-Ziffer zulässig ist, wenn der zeitliche Aufwand mindestens das Zwei- bis Vierfache beträgt.
Auch die Überschreitung des 1,8-fachen Satzes wurde vom Gericht akzeptiert – trotz des Umstands, dass der Sachverständige die Abrechnung lediglich innerhalb des Gebührenrahmens (1,0 bis 1,8-fach) als vertretbar eingestuft hatte. Ausschlaggebend war hier unter anderem, dass die Patientin im Vorfeld einem 2,3-fachen Satz unter bestimmten Voraussetzungen bereits zugestimmt hatte.
Fazit: GOÄ-Spielräume sachgerecht nutzen
Das Urteil zeigt deutlich: Auch mit einer seit Jahrzehnten unveränderten GOÄ lassen sich moderne, aufwendige Therapien angemessen abrechnen – vorausgesetzt, der medizinische und wirtschaftliche Mehraufwand wird nachvollziehbar und sachlich belegt.
Die Möglichkeit der Analogabrechnung bleibt damit ein zentrales Instrument für die Privatliquidation innovativer ärztlicher Leistungen – auch mit Blick auf eine künftige GOÄ-Novelle.
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